Das Landgericht Fulda hat die Daimler AG im Abgasskandal zu Schadenersatz verurteilt. Mit Urteil vom 15.10.2020 entschied das Gericht, dass in dem Mercedes SLC 250 Diesel des Klägers eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist. Der Kläger sei dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadenersatz (Az.: 2 O 187/20). Der Kläger hatte den Mercedes SLC 250 D mit dem Motor OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 im August 2018 als Gebrauchtwagen gekauft. Den Kauf finanzierte er zum Teil über ein Darlehen bei der Mercedes Benz Bank.
Neben einem Thermofenster bei der Abgasrückführung kommt in dem Fahrzeug auch eine sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz. Dadurch wird die Aufwärmung des Motoröls verzögert mit der Folge, dass der Stickoxid-Ausstoß reduziert wird. Allerdings ist diese Funktion im realen Straßenbetrieb häufig nicht aktiviert und der Stickoxid-Ausstoß steigt entsprechend wieder an.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung bei verschiedenen Mercedes-Modellen als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft und einen Rückruf angeordnet, damit die Funktion entfernt werden kann. Der Kläger erhielt im Januar 2020 den Rückruf für seinem Mercedes SLC 250 D. Er machte daher Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.
Das LG Fulda gab der Klage weitgehend statt. In dem Fahrzeug des Klägers werde eine sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung verwendet. Das es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, werde schon aus dem Rückruf des KBA deutlich, führte das Gericht aus.
Daimler habe das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht und den Kläger getäuscht. Im Ergebnis sei kein großer Unterschied zu der illegalen Abschalteinrichtung beim VW-Motor des Typs EA 189 zu erkennen. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass VW eine Steuerungs-Software verwendet hat, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, während die Software beim Daimler-Motor OM 651 die zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte notwendige Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, außerhalb von Regelungsbedingungen wie sie auf dem Prüfstand herrschen, oft abschaltet. Ein durchgreifender Unterschied sei zwischen einer Prüfstandserkennung wie bei VW und dem Erkennen „wesentlicher Randbedingungen des gesetzlichen Prüfverfahrens“ bei Daimler nicht zu erkennen, führte das LG Fulda aus.
Der Kläger sei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadenersatz, urteilte das Gericht. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs hat der Kläger Anspruch auf Rückzahlung seiner bisher geleisteten Raten inkl. Anzahlung und ist von allen weiteren Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen freizustellen.
„Für Daimler wird es im Abgasskandal immer enger. Schon das OLG Naumburg hat entschieden, dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eine unzulässige Abschalteinrichtung ist und Daimler zu Schadenersatz verurteilt. Auch vor dem OLG Köln kassierte Daimler kürzlich eine empfindliche Niederlage. Die OLG-Urteile dürften für weitere Schadenersatzklagen gegen Daimler wegweisend sein“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering.